Rückblick

Rückblick Fachkonferenz Sanierung

Sanierungspraxis: Bewährungsproben im Multikrisen-Umfeld

 

Rückblick auf die Fachkonferenz Sanierung vom 2./3.3.2023

 

Seit mehr als 20 Jahren hat sich die BDU-Fachkonferenz Sanierung als Austauschplattform für Restrukturierungs- und Sanierungsexperten etabliert. Am 3. März 2023 fand die Veranstaltung erstmalig in Kooperation mit dem Distressed Ladies e.V. statt. Im Konferenzfokus lagen neben der Beraterhaftung die operative Sanierung, Finanzierungsoptionen und vor allem die Frage, wie aktuell einschneidende Entwicklungen wie Cybersicherheit, ESG und Inflation aufgefangen werden können.

 

Download ausführlicher Kongressbericht​

 

Kongresseröffnung

Anlässlich der diesjährigen Veranstaltung begrüßten Dr. Gesa Pantaleon gen. Stemberg, Sprecherin des Distressed Ladies e.V., und Burkhard JungVorsitzender des BDU-Fachverbands Sanierungs- und Insolvenzberatung, gemeinsam die zahlreich teilnehmenden Berater, Banker, Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer im Grandhotel Petersberg in Königswinter.

 

Jung skizzierte die veränderten Rahmenbedingungen der aktuellen Restrukturierungspraxis, die Erfahrungswerte mit dem neuen StaRUG und gab eine Einschätzung ab, ob aus Sicht des BDU die Notwendigkeit für neue Regelungen durch den Gesetzgeber bestehen.

Transformation als Schlüssel der Krisenbewältigung

Den Eröffnungsvortrag zum Thema „Nordrhein-Westfalen hält Kurs – Aktuelle finanzpolitische Herausforderungen“ hielt Dr. Marcus Optendrenk, Minister der Finanzen des Landes NRW. Seit seiner Gründung habe gerade dieses Land vielfältige Transformationsprozesse durchlaufen: „Transformation ist der Schlüssel zur Krisenbewältigung“.

 

Sein Fazit: NRW sei kein Sanierungsfall, aber ein Renovierungsfall; man müsse Innovationsvorreiter sein, um die Erzielung der Wertschöpfung zu gewährleisten, die für die Aufrechterhaltung der sozialen Haushalte erforderlich ist.

Ordnungskrise in einer instabilen Welt

Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor CEP, verwies unter dem Motto „Die Welt in der Polykrise“ auf die unklaren Konsequenzen der im Februar 2022 ausgerufenen Zeitenwende. Im Zusammenspiel vernetzter Einzel-Risiken sieht er die aktuell instabile Welt in einer grundsätzlichen Ordnungskrise.

 

Zu bewältigen ist ein schwieriger Übergang vom Heute ins Morgen. In dieser Konstellation erzeugt Regulierung, so Vöpel, allein Deformation, nicht Transformation. Sein Plädoyer: Mehr Freiheit und Unternehmertum sind erforderlich mit Innovation als entscheidendem Schlüssel.

Fortführungsprognose noch zuverlässig aufstellbar?

Die positive Fortführungsprognose befindet sich nicht zuletzt infolge der derzeitigen komplexen und herausfordernden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Wandel.

 

Dr. Susann Brackmann (Hogan Lovells) und Corinna von Loeffelholz (Deloitte) befassten sich in ihren Vorträgen mit rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das aktuelle, von hohen Unsicherheiten geprägten Marktgeschehen und gaben einen Rechtsprechungsüberblick zur Sanierungsfinanzierung.

Automobilbranche im Pandemie-Schock

In seiner Branchenanalyse „Entwicklung der Automobilindustrie“ ging Thomas Steinberger (Partner PwC PricewaterhouseCoopers GmbH) davon aus, dass die Erholung auf das Vorkrisenniveau 2019 erst in 2025/26 erreichbar ist. Insbesondere in Deutschland, Japan, Südkorea sei nicht damit zu rechnen, dass frühere Produktionsrekorde wieder erreicht werden.

 

Mehr als 50% der Zulieferer seien in finanziellen Stress-Konstellationen und die Herausforderungen durch die eMobilität insgesamt gewaltig. Ein aktuell deutlich zu gering ausgeprägtes Szenario-Denken müsse dringend ausgeweitet werden.

Refinanzierungen trotz Zurückhaltung noch möglich

Über Refinanzierungsoptionen nach der Beendigung von Corona-Hilfsmaßnahmen informierten Dr. Kirsten Schümann-Kleber, (LL.M., GÖRG) und Andrea Nemitz (Commerzbank AG).

 

Generell habe es zwar keine wesentlichen Änderungen in Grundstrukturen und Akteuren gegeben, aber es sei dennoch aktuell eine Zurückhaltung der Banken zu spüren, was im Zusammenhang mit dem Zinsanstieg auch risikobereite Akteure belaste. Einen großen Crash werde es wohl nicht geben; einzelne Unternehmen könnten allerdings Probleme bekommen.

Cybersicherheit im Sanierungsgutachten bewerten

Beim Thema „Cybersicherheit und Environmental, Social and Governance (ESG) als Bestandteil von Sanierungsgutachten“ hoben Monika Dussen (Struktur Management Partner – SMP) und Martina Rabe (Unicredit) hervor, dass der deutsche Mittelstand eher schlecht auf Cyberrisiken vorbereitet ist. Als Folge von Cyberangriffen komme es im Unternehmen zu realen Rentabilitäts- und Liquiditätsverlusten sowie Reputations- bzw. Vertrauenseinbußen.

 

Als zunehmend relevantes externes Risiko sei die Bewertung dieses Risikos im Sanierungsgutachten unerlässlich. Dies gelte ebenfalls im Hinblick auf ESG-Vorgaben. Deren Nicht- oder Teil-Erfüllung gehe zunehmend in die Bepreisung von Krediten ein. Die Erstellung eines Sustainability-Reports von Unternehmen werde eine Standarderwartung.

Ohne Erfüllung von ESG-Vorgaben …

Hinsichtlich der Auswirkungen von ESG führte Martina Rabe in Bezug auf Banken an, dass zukünftig neben der Bonität eines Unternehmens und dessen Geschäftsmodell auch ESG ein Kriterium bei der Kreditentscheidung sein wird. Regulatorische Vorgaben müssen bis Dezember 2023 vollständig in das Risikomanagement der Banken integriert werden. ESG wird also zukünftig in die Risiko- und Branchen-Strategie der Banken einfließen und beim Rating Berücksichtigung finden. Noch deutlicher heißt das: Die Nicht- oder Teil-Erfüllung der ESG-Vorgaben wird in die Bepreisung des Kredits eingehen. Die Erstellung eines Sustainability Reports von Unternehmen wird eine Standarderwartung werden. Bei grundbuchlich besicherten Krediten wird die Einholung eines Energieausweises erforderlich sein.

 

Martina Rabe fordert, dass im Sanierungsgutachten ESG einen festen Bestandteil bilden muss. Eine schlechte ESG-Bilanz dürfte Finanzierungen jedenfalls stark erschweren. Das sehen nicht nur Banken so, sondern auch andere Kapitalgeber wie Investoren auf den Kapitalmärkten insgesamt. Abgelehnt worden sei in ihrem Erfahrungsbereich ein Kreditwunsch aber noch nicht.

… führt kein Weg aus der Krise

Generell hat die ESG-Thematik – so der Schlussappell von Monika Dussen – großen Einfluss auf den Weg aus der Krise. Nach mehr als 10 bereits erarbeiteten ESG-Status in Turnaround-Konzepten und Sanierungsgutachten sieht SMP bereits heute Effekte für das Geschäftsmodell, die Planungen und die Absicherung der Finanzierung. Die Relevanz von ESG-Kriterien in Bezug auf die Sanierungsaussichten fasste sie so zusammen, dass sich mit der Beantwortung von fünf Kernfragen ein ESG-Status zusammenfassend bewerten lässt:

 

  • Besteht Transformationsbedarf des Geschäftsmodells?
  • Sieht das Unternehmen eine Gefährdung durch den Klimawandel?
  • Wie steht es um die Belastbarkeit im Hinblick auf Kosten der Transformation / Investitionen / Refinanzierbarkeit?
  • Wie ist der ESG-Status im Vergleich mit Branche / Peer-Group (First Mover vs. Follower) zu bewerten?
  • Ist die weitere Transformation abgesichert durch eine passende Umsetzungsorganisation?

Preisstrategien bei Inflation

Preisstrategien bei Inflationstendenzen waren das Thema von Dr. Amadeus Petzke (Deloitte). Er warnte vor zu langem Zögern: Ursachen für zu späte Erhöhungen seien u.a., dass Warnsignale nicht rechtzeitig erkannt werden und schlicht die Transparenz über notwendige Preiserhöhung fehle.

 

Erforderlich sei aber ggf. ein kontinuierliches Nachsteuern statt Einmalaktionismus. Kurzfristig könnten zum Beispiel (temporäre) Zuschläge und Gebühren, das Öffnen unvorteilhafter Verträge, die Umsteuerung von Warenströmen zum Kunden nach Marge sowie ein sog. „Neubepreisung-Spot“ im Sinne offener Verträge helfen.

Haftungsgefahren eingrenzen

Schon am Donnerstag, 3.3.2022, hatte die Veranstaltung mit drei Vorträgen begonnen. Die Gefahr der Beraterhaftung gegenüber Dritten wurde im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen der Haftpflichtversicherungen mit Schutzwirkung für Dritte von RA Michael Brügge (HDI) beschrieben. Welche Aufgaben der Berater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats und grundsätzlich treffen ihn nur in diesem Rahmen ihn Beratungspflichten. Zu beachten ist aber auch die nebenvertragliche Schadenverhütungspflicht!
So kann z.B. ein Steuerberater zum Zwecke der Schadenverhütung auch zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des erteilten Mandats verpflichtet sein, wenn ihm


• (1) die außerhalb des erteilten Mandats liegende Gefahr bekannt oder
• (2) offenkundig ist oder
• (3) sich ihm bei der Bearbeitung des Mandats aufdrängen muss

 


und er Grund zu der Annahme haben muss, dass dem Mandanten selbst die Gefahr nicht bewusst ist. Als weiteres Beispiel führte Brügge in diesem Zusammenhang einen Sanierungsberater an, der von einer GmbH mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts beauftragt ist und in diesem Zusammenhang auch die Finanzbuchhaltung prüfen und eine Liquiditätsplanung durchführen soll: Er muss auch ohne ausdrücklichen Auftrag auf eine bestehende Insolvenzreife hinweisen, da ohne Klärung der Insolvenzreife bzw. der Zahlungsunfähigkeit nicht valide beurteilt werden, ob das Unternehmen sanierungsfähig ist. Bei einer Verletzung der insolvenzrechtlichen Warnpflicht haftet der Sanierungsberater gem. neuer OLG-Rechtsprechung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch gegenüber dem Geschäftsführer, wenn dieser seinerseits vom Insolvenzverwalter nach §64 GmbHG in Anspruch genommen worden ist.

 


Weiterhin bestehen insbesondere Haftungsgefahren bei einer vom Sanierungsberater, Steuerberater oder Abschlussprüfer verschuldeten Insolvenzverschleppung oder die Haftung des Geschäftsführers wegen masseschmälernder Zahlung bei Insolvenzverschleppung. Das damit angesprochene Problem der Zahlungsunfähigkeit erweist sich in der Praxis als der häufigste Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Ursache liegt in der „Blindflugmentalität“ mancher Geschäftsleitungen, die das Unternehmen auf Biegen und Brechen bis zum völligen Versiegen liquider Mittel fortführen wollen. Dazu muss es aber nicht kommen, wenn rechtzeitig operative Sanierungen auf den Weg gebracht werden.

 

Stellgrößen in der operativen Sanierung

 


Zentrale Hebel in der operativen Sanierung wurden von Wolfgang Lobmeier (Lumics GmbH & Co. KG) und von Frederik Drescher (EY-Parthenon) beschrieben. Lobmeier zeigte sich überzeugt, dass nachhaltige Veränderungen einen ganzheitlichen Ansatz erfordern und dann zu spürbaren Verbesserungen führen, wenn sie die Mitarbeiter und Management anspornen. Zum Instrumentenkasten gehören ein RHC (rapid health check), ein risikooptimales, agiles Supply Chain Management, (distressed) M&A sowie die PMI (Post Merger Integration). Für Drescher stellt die operative Sanierung einen zentralen Bestandteil einer erfolgreichen Sanierung dar; dabei werden letztlich alle wertschöpfenden und unterstützenden Bereiche tangiert. Operative Maßnahmen wirken über zwei Hebel: Effizienzsteigerung & Reduktion der Kostenbasis. Neben der Definition des Konzepts ist vor allem die Umsetzung entscheidend für den Erfolg; wobei hier wiederum eine stringente Kommunikation ein zentraler Faktor ist, um alle Stakeholder „mitzunehmen“.

 


Empfehlungen für den Beratungsprozess

 


Am Anfang solle immer – so Drescher zum Ablauf eines Beratungsprozesses – eine Strategiediskussion in „schonungsloser Offenheit“ stehen. Strategische Leitlinien müssen dann aber durch klar allokierte Ziele operationalisiert werden. Zunächst könne die operative Sanierung sehr breit definiert werden und jeden Bereich der Wertschöpfung sowie jewede Unterstützungsbereiche tangieren. Overhead-Kosten sieht er als „Pflichtübung“ in jeder operativen Sanierung. Dabei verspreche das systematische Abprüfen aller Hebel den größten Erfolg. Signifikante Ergebnisverbesserungen ergeben sich dann im Zusammenspiel verschiedener Hebel. Neben konzeptioneller Klarheit sei vor allem eine gute “Technik” erfolgskritisch.
Um eine erfolgreiche Umsetzung gewährleisten zu können, sei sowohl die handwerklich saubere Darstellung der Maßnahmen als auch Klarheit über Verantwortlichkeiten zentral. Und ganz wichtig: Veränderungsprozesse im Rahmen einer Sanierung bedürfen umfangreicher Kommunikation und eines „Mitnehmens der Mannschaft“. Hierbei sei das Verständnis für das „Warum – Wie – Was“ essentiell. Eine regelmäßige Kommunikation erleichtere zweifellos den Veränderungsprozess. Ein Praxisfall habe gezeigt, dass

 


• die schriftliche Kommunikation in kurzen Abständen inkl. Bekanntgabe der vorläufigen Projektergebnisse,
• die Einsetzung von „Roundtables“ mit zufällig ausgewählten Mitarbeitern,
• die aktive Einbindung der Mitarbeiter durch direkte Ansprache in der täglichen Arbeit („auf dem Shopfloor“) und die Nutzung von „Ideenboxen“ sowie
• die Kommunikation von Best practices und „Awards“


insoweit besonders bedeutsam sind.

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Die nächste BDU-Fachkonferenz Sanierung ist für 1.3.2024 geplant.

Ihre Ansprechpartner

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Ihr Projektteam in der BDU-Geschäftsstelle steht Ihnen gerne zur Verfügung:

Kai Haake, Heike Borchert-Dietz, Ulrike Hauschild

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